Mehr Karriere, mehr Fragen

Die PostDoc Zeit danach ist dann wie automatisch in eine Juniorprofessur übergegangen. Hier habe ich dann zum ersten Mal richtig das System zu spüren bekommen. Innerhalb von 2 Monaten eine Lehrveranstaltung auf die Beine stellen, erstmals und unvorbereitet vor 340 Studierenden stehen, Mitarbeiter führen, Drittmittelanträge stellen, Gremienarbeit machen, Gleichstellungsbeauftragte werden, Kampf um die Rechte der Juniorprofessoren, Diplom- und Doktorarbeiten betreuen und und und.

Mein eigenes Ich wurde lauter und stellte noch unangenehmere Fragen als früher schon: "Wissenschaft sollte doch unendlich kreativ sein - wo ist die Kreativität denn geblieben? Warum habe ich das Gefühl, gegen Wände bzw. Egos zu rennen und mich gar nicht selbst entfalten zu dürfen?"

Karrieremäßig ist es dann danach absolut perfekt gelaufen. W2-Professur, Verbeamtung, erster unbefristeter Vertrag, eigene Abteilung. Endlich ein vollwertiger Mensch und damit allerdings auch ernstzunehmende Konkurrenz, die anderen gefährlich werden konnte. Ich wurde in vollkommen irrationale Kämpfe verwickelt, die ich nicht verstanden habe und auch gar nicht wollte. Im gefühlten Überlebenskampf nicht mehr agieren, sondern nur noch reagieren, ohne Zeit zum Nachdenken und vor allem Nachfühlen.

"Was machst Du da eigentlich? Wo bist DU geblieben? Sind eigentlich die Ziele, die Du verfolgst wirklich Deine eigenen? Oder wer definiert die Ziele? Willst Du eigentlich ein Teil dieses Systems sein?" Zum ersten Mal wirklich sein Leben infrage zu stellen ist ganz schön gefährlich. Da könnte ja schon einmal alles zusammenbrechen. Daher habe ich es dann erfolgreich geschafft, diese Stimme ganz gut zu beruhigen.